Rezension

Markus Thiele – Echo des Schweigens

Das Buch wurde mir von der Agentur Literaturtest als Leseexemplar zur Verfügung gestellt. Die Rezension beinhaltet ausschließlich meine persönliche Meinung. Für den Beitrag habe ich kein Geld erhalten.
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Echo des Schweigens beruht auf dem Justizskandal um den Tod von Oury Jalloh. Vor ziemlich genau 15 Jahren kam der damals 37-jährige in einer Gewahrsamszelle der Dessauer Polizei ums Leben. Bevor ich auf das Buch aufmerksam wurde, war mir der Name Oury Jalloh kein Begriff. Das zeigt aber auch direkt, wie wichtig es war sich mit ihm und seinem Schicksal zu beschäftigen. Ich hatte mir von diesem Roman eine ganze Menge Input und Denkanstöße erhofft. Leider blieb am Ende der Lektüre nur die große Frage danach, was mir das Buch denn jetzt eigentlich sagen möchte.

Markus Thiele verwebt in Echo des Schweigens zwei auf wahren Tatsachen beruhende Handlungsstränge zu einem Roman. Grundsätzlich bin ich sehr angetan, wenn Autor*innen gut recherchieren und echte Schicksale in ihren Geschichten verarbeiten. In diesem Roman hat mir das Ergebnis aber leider nicht gefallen und ich möchte euch sehr gerne erklären warum.

Der Roman befasst sich auf unterschiedlichen Zeitebenen mit den Schicksalen von Hannes Jensen und der Familiengeschichte von seiner Freundin Sophie Taubner. Im Gerichtsverfahren sind sie Kontrahenten. Hannes ist Strafverteidiger, Sophie arbeitete an einem pathologischen Gutachten, das seinen Gerichtsfall zum Platzen bringen könnte. Gleichzeitig erhalten wir Einblicke in Sophies Familiengeschichte während des zweiten Weltkriegs, die Sophie selbst erst jetzt entdeckt.

Sowohl das Gerichtsverfahren, als auch die Geschichte um Sophies Familie, sind durchaus interessante Anknüpfungspunkte, um einen interessanten Roman zu schreiben. Mir stellte sich aber bis zur letzten Seite die Frage, warum musste man diese zwei Geschichten in ein Buch packen? Beiden Geschichten hätte man viel mehr Raum geben dürfen, ja geben müssen. Für mich waren es zwei Handlungsstränge, die keinen Einklang fanden. Es war als Gesamtbild nicht harmonisch. Und was mich am meisten gestört hat: Aus Sophies Perspektive betrachtet hätte man den Gerichtsfall gegen jeden x-beliebigen anderen Fall austauschen können, was in Anbetracht des Falls Oury Jalloh echt eine Schande ist.

Der am 7. Januar 2005 ermordete Oury Jalloh erlitt ein sehr grausames Schicksal. Auf das Bett in einer Gewahrsamszelle gefesselt wurde er mit Brandbeschleuniger übergossen und angezündet. Die Ermordung wurde Jahre lang vertuscht. Bis heute ist niemand für den Mord an Oury Jalloh verurteilt worden. Stattdessen wurde „die Angelegenheit“ vertuscht. Im ersten Gerichtsverfahren sprach man sogar nur von einer bloßen Aufsichtspflichtverletzung seitens der Polizei, weil behauptet wurde Oury Jalloh hätte sich selbst in Brand gesetzt. Erst Jahre später und mit viel Gegenwind konnte diese „Theorie“ mit einer Nachstellung des Tathergangs durch die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh wiederlegt werden und neue Ermittlungen ins Rollen bringen.

Dieser „Justizskandal“ bildet wohl tatsächlich eine handfeste Grundlage, um die Geschehnisse in einem Roman aufzuarbeiten. Das Buch wurde auch mit „Anlehnung an den Fall Oury Jalloh“ beworben, ließ diesen aber ziemlich in den Hintergrund rücken. Protagonist Hannes Jansen verteidigt in Echo des Schweigens einen Polizisten der wegen eines solchen Mordes auf der Anklagebank sitzt. Doch statt sich mit dem Fall und den wirklichen Hintergründen zu beschäftigen, rückt der wahre Fall hinter dem Roman in den Hintergrund. Ich möchte nicht behaupten, dass der Zwiespalt zwischen Recht und Pflicht eines Verteidigers nicht genauso wichtig sind, aber ich fand der Fokus lag falsch. Wenn man sich schon einen solch brisanten echten Fall als Vorbild nimmt, um ihn in einen Roman zu verpacken, dann hätte dem Fall doch sehr viel mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden müssen, als es in diesem Buch getan wurde.

Als Leserin finde ich es sehr enttäuschend, dass es zum echten Fall nur ein paar Seiten hinten im Nachwort des Autors gab. Im Buch kam die echte Geschichte auch viel zu kurz und erschien mir, wie oben bereits erwähnt, auch sehr austauschbar. Tatsächlich hat mich diese Tatsache auch sehr wütend mit dem Buch zurückgelassen.

Ich möchte zum Abschluss auf den WDR5 Podcast „Oury Jalloh und die Toten des Polizeireviers Dessau“ von Margot Overath hinweisen. Der Podcast ist das Ergebnis jahrelanger Recherche der Autorin und bietet sehr umfassenden Einblick in den Fall.


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Das Buch habe ich seitens der Agentur als Leseexemplar bekommen. Für die Rezension habe ich kein Geld erhalten. Der nachfolgende Link führt zur Internetseite des Verlages und der Agentur.

Markus Thiele | Echo des Schweigens
Benevento | 408 Seiten
Literaturtest

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